Im Doppelpack kommen hier zwei alternative Antworten auf was HipHop und was Realness sein können. Jede dieser Varianten ist für sich einzigartig und leftfield:
»Textor lässt (…) keine Fragen offen und nichts zu wünschen übrig, auf einem phänomenalen, neuen Album, "So Tun Als Ob", das 2024 bei Grönland Records erschien. Es bzw. er „beschäftigt sich mit verschiedenen Dingen“ (Zitat aus dem Track „Bibimbap“). Dieser hochwillkommene Beitrag zum Stand der Dinge im deutschsprachigen Rap ist unschätzbar, sein Status inzwischen unangreifbar, seine Skills sowieso legendär.« (Hans Nieswandt)
»Was der Berliner Künstler Yaneq auf seinem neuen Album „Reime und lose Gedanken“ (2025, Grzegorzki Records / HHV) macht, ist schon noch HipHop, aber zugleich einiges mehr. … Die Musik ist auf mehreren Ebenen ein Drahtseilakt, man weiß beim Hören nicht genau, ob das gut gehen wird ... Es bleibt riskant. Aber in der Form hat es „Reime und lose Gedanken“ noch nicht gegeben. Weder im HipHop noch sonst wo.« (taz)
Textor
»„Das Gegenteil von Anarchie ist Verwaltung. Das Gegenteil von Origami freie Entfaltung. [...] aber was ist das Gegenteil von Heilbronn?“ …diese Antwort bleibt uns der Track „So muss es sein“ für den Moment schuldig.
So feingliedrig und schlank der Meister, so heavy das Werk. „So tun als ob“ ist, für manche vielleicht überraschend, ein reines Rap-Album geworden. Gut so! Keine ausgedehnten Exkursionen im Segment des gesungenen Lieds und des Orchestralen mehr, nur wenige Verweise auf Jazz oder Folk, ganz anders als etwa auf dem letzten Textor-Soloalbum, „Schwarz, Gold, Blau“ von 2012. Höchstens ein paar Spuren der dichten, eklektischen Sampling-Strukturen, die das Schaffen sei-nes Duos Kinderzimmer Productions seit Mitte der 90er Jahre prägte. „So tun als ob“ ist gleichzeitig knochentrocken und voll im Saft, abgespeckt und fett, taufrisch und gut abgehangen. Diese Gegensätze vereinen zu können ist Ausweis sei-ner Meisterschaft - im Texte bauen, im Tracks bauen, nicht zuletzt im Abliefern.
In seinem Kreuzberger Studio hat Textor mit viel Muße - je nach Sichtweise hat er zehn oder auch nur ein Jahr dafür gebraucht - eine Kollektion minimalistischer Beats für maximalen Impact gebaut, mit nur wenigen, wohldosierten Ornamenten. Das Gros im Alleingang, bei drei Tracks kam Support von Quendolin Fender. Die Beats bilden untenherum ein stabiles Fundament, lassen obenherum aber viel Platz und Luft für elf brandneue, mal verwinkelte, mal straighte, mal rasante, mal kunstvoll verschleppte Gedankengänge, wie sie in der zuletzt eher öden, deutschen Raplandschaft ihresgleichen suchen. Die Skills eines alten Hasen treffen auf das Herz eines jungen Hüpfers, das immer noch unverdrossen in ihm schlägt.
Die wenigen Gäste auf diesem Album bringen keine zusätzlichen Rap-Strophen, sondern setzen gesangliche Glanzlichter: Steffi Frech auf „Kein Gefühl“, Fama M’Boup auf „Es dreht sich“ und Kenchi & The Sun auf „Klickediklick“. Den Rest stemmt Textor mühelos im Alleingang, seine Versatilität in Tempo und Duktus ge-ben das problemlos her. Das satte Mastering von Rashad Becker von Dubplates und Mastering verleiht dem Werk nicht nur den letzten Schliff, sondern auch eine Autorität, die „So tun als ob“ zu DEM Rap-Album des Jahres machen - etwas für HipHop-Kids aller Altersklassen und jeglicher Couleur.
In der Tat: „So muss es sein.“« (Hans Nieswandt)
Yaneq
„Gelassenheit ist die höchste Tugend. Kommt mal von euren Testosteron-Rössern runter. Auf seinem zweiten Alterswerk seit „Rufen und Raushaun“ von 2022 baut Yaneq seinen Souveränitäts-Rap jenseits von Ego-Geprotze aus: „Die hohe Stirn rasier’ ich mir / lebe als Papiertiger“. Statt Battle-Raps (wie ironisch auch immer) zu wetzen, bläst der Papiertiger lieber die Till-Eulenspiegel-Flöte. Die Tracks auf „Reime und lose Gedanken“ haben weniger mit Tarantino-Großmäulern zu tun, als mit dem „Ich verdrücke zehn Weisheiten zum Frühstück“-Brother KRS One anno „Edutainment“. Der erste Track „Wann Dann“ dekliniert in vergnügter Rumpeligkeit das Resilienz-Programm für 2025: „Vergiss die Rakete“ – dieses monströse Phallussymbol für destruktive Großmannssucht. Stattdessen: „Ein tolles Leben für jede und jeden und alle dazwischen.“ Und von unten drückt die Partystimmung mit ausgelassenem Boogie-Piano. „Auf sicher, Frau Nachbar!“ Dann wird Yaneq (mit Produzent Ben Lauber) immer zwischentöniger. Im weiteren Verlauf des Albums sucht er hintenrum das Lied im Rap und landet bei einer ganz eigenen Form der lakonischen Ballade. Bei „Sag mir wo die Blumen sind“, „Kein Bock“ und „Mit dir“ zerfließen butterweich die Formatsgrenzen. Das Album firmiert unter „Hip Hop & Rap“. Das ist viel zu klein gedacht. Der angemessene Claim für „Reime und lose Gedanken“ wäre: „Rettung des Nachmittagsradios“. Charakter für alle. Zum Finale heißt es denn auch: „Greif nach den Sternen“ – ein würdig universelles Programm für den Master of jeder Ceremony Yaneq, den Kulturvisionär, Ausstellungsmacher, Radiomoderator, Musiker und Strickpullover-Homie. Fresh for 2025, sucker!“ (Jan Joswig)
„Aus dem Nichts schenkt uns Yaneq analog-scheppernde, vom Jazz grundierte Hip-Hop-Beats, gepaart mit deutschen Texten, die so gut sind, dass man sie als Gedichtband lesen möchte. Hat der deutsche Hip-Hop jenseits der Frauenverachtung doch noch eine lyrische Zukunft? Es scheint so, und das kommt einer lang ersehnten Sensation gleich.“ Mit dem Album „Reime und lose Gedanken“ macht Yaneq genau da weiter, wo er bereits mit dem Vorgänger „Rufen und Raushaun“ 2022 angesetzt hat. Lieder, die zurückgezogen in der Brandenburger Provinz oder nachts in der Kreuzberger Wohnung auf Schlagzeug, Klavier, Kinderinstrumenten und Küchenutensilien entstehen. Und die dann von Ben Lauber im Transporterraum Berlin ausproduziert werden. Gepaart mit Texten aus Yaneqs Feder, oft introspektiv, manchmal politisch, immer mit Haltung. Krautrock und Indie mit schweren HipHop-Grooves, unter deutschsprachige Raps gelegt. Auch wenn nur ein Name auf dem Albumcover steht, diese Musik ist die Arbeit eines Duos, das meist an räumlich und zeitlich versetzten Orten schafft. Und es ist das Produkt eines großen kreativen Umfelds. Der Song „Feuer in die Eiszeit“ wurde zusammen mit T.Raumschmiere komponiert, der auch schon zum Vorgänger beigetragen hat. Ben Laubers Transporterraum-Partner Moses Schneider spielt bei „Wann Dann?!“ Bassgitarre. DMC Germany-Gewinner DJ Robert Smith veredelt „Der Weg“ mit seinen Scratches und holt dabei Yaneqs Stimme aus der Vergangenheit, indem er Material vom 2006 erschienen Album „Widersprüche“ nutzt. Dieses Material hat seinerzeit Kronstädta von der Gruppe Das Department produziert, der nun auf „Jetzt erst“ mit treibender Rhythmusgitarre brilliert. Und bei „Greif nach den Sternen“ schreibt sich Mo Delgado mit seiner durchgehenden Saxophon-Improvisation in die Textur des Stücks. Auch er war schon auf dem Vorgängeralbum zu hören. Was für die Musik gilt, stimmt auch für alle weiteren Bereiche dieser Veröffentlichung. Yaneq ist sowohl in der Musik, als auch in den bildenden Künsten unterwegs und ist so mit einem großen wie breiten kreativen Umfeld gesegnet. Er betreibt seit vielen Jahren den Kunstraum Schau Fenster in Berlin-Kreuzberg und hat die Party Arty-Reihe kuratiert. Alles immer selbst-promotet über den über Jahre gewachsenen Newsletter, Social Media und über die wöchentliche, von ihm moderierte Kunstsendung Radio Arty auf FluxFM. Die Coverfotos hat Winson fotografiert. Selber Musiker („Wovon lebt eigentlich Peter?“) und Moderator (Podcast Goldstückli“), hat sich das Multitalent in den letzten Jahren auch in die visuellen Ausdrucksformen eingearbeitet und unter anderem Olli Schulz‘ letztes Albumcover geshootet. Auch das Video zur letzten Yaneq-Single „Krass Krass Krass“ hat Winson gedreht. Last but not least erscheint das Album wie der Vorgänger schon auf Grzegorzki Records, das von den bildenden Künstler*innen Alija Kwade und Gregor Hildebrandt betrieben wird. Das Artwork hat Ann-Kathrin Pagel erstellt. Dieser Reichtum an Umfeld, Leidenschaft und Kreativität, die alle nicht mit Geld zu kaufen sind, entspringt dem Yaneqs aktivem Kulturleben. Das hört man dieser Scheibe an. (Max Dax)
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